Der leere Thron: Warum du dich trotz Erfolg wie ein Hochstapler fühlst (und wie du das endlich abstellst)

Imposter ist auch keine Lösung

Du hast es geschafft.

Die Beförderung ist durch, das Projekt war ein Erfolg, dein Team respektiert dich. A

uf dem Papier, in den KPIs, in den Augen der anderen – ein klarer Sieg.

Du sitzt auf dem Thron, den du dir jahrelang erarbeitet hast.

Warum also fühlt er sich so verdammt kalt und leer an?

Dieses nagende Gefühl im Magen während des Board-Meetings. Dieser leise Gedanke nach dem Lob vom CEO: „Wenn die wüssten, dass ich die meiste Zeit auch nur improvisiere.“ Diese sonntagabendliche Angst, dass morgen der Tag ist, an dem alle endlich merken, dass du ein Hochstapler bist.

Kommt dir das bekannt vor?

Willkommen im Club. Was du fühlst, hat einen Namen: Impostor-Syndrom. Und es ist die heimliche Epidemie unter den fähigsten, sensibelsten und gewissenhaftesten Führungskräften der Tech-Welt.

Warum gerade hier? Warum gerade du?

Die Tech-Welt ist ein perfekter Nährboden für dieses Syndrom.

Es ist eine Kultur, die Genialität verehrt und gleichzeitig alles und jeden permanent in Frage stellt. Eine Welt, in der Kompetenz oft mit Lautstärke verwechselt wird und in der du gestern ein Held sein kannst und morgen mit dem nächsten „Disruption“-Framework schon wieder zum alten Eisen gehörst.

Für analytische, tiefgründige Menschen wie uns ist das Gift.

Wir sehen die Komplexität, die Nuancen, die 10 % Restrisiko, die der laute Kollege mit einer selbstsicheren Handbewegung vom Tisch wischt. Wir wissen, was wir nicht wissen. Und in einer Welt, die unerschütterliches Selbstbewusstsein belohnt, fühlt sich dieses ehrliche Wissen wie ein Defizit an. Wie ein Bug in unserem Betriebssystem.

Aber das ist es nicht.

Es ist dein größtes Asset.

Du musst nur aufhören, das Spiel der anderen zu spielen.

Schritt 1: Entkoppel das Spiel vom Spieler

Der erste und wichtigste Schritt ist eine radikale mentale Entkopplung.

Du musst verstehen, dass der äußere Erfolg – die Beförderung, das Gehalt, das Lob – und dein innerer Selbstwert zwei völlig unterschiedliche Dinge sind.

Das äußere Spiel hat seine Regeln.

Es geht um Politik, Sichtbarkeit, Timing und ja, auch um Leistung. Du hast gelernt, dieses Spiel zu gewinnen. Gut gemacht. Aber dieser Sieg definiert nicht deinen Wert als Mensch. Er ist nur das Ergebnis einer angewandten Strategie in einem bestimmten System.

Dein innerer Wert hingegen basiert auf Dingen, die in keiner KPI auftauchen: deine Integrität. Deine Fähigkeit, komplexe Probleme zu durchdringen. Dein Anstand. Die Art, wie du einem Teammitglied zuhörst, das private Probleme hat.

Die Übung:

Nimm dir 15 Minuten Zeit und zwei Blätter Papier.

Auf das erste schreibst du unter der Überschrift „Mein äußerer Erfolg“ alle Punkte, die von außen validiert werden: Titel, Gehalt, abgeschlossene Projekte, Zertifikate, Firmen, für die du gearbeitet hast.

Auf das zweite schreibst du „Mein innerer Kompass“. Hier notierst du, worauf du wirklich stolz bist. Eine Entscheidung, die schwer war, aber richtig. Ein Konflikt, den du fair gelöst hast. Ein Moment, in dem du zu deinen Werten gestanden hast, obwohl es einfacher gewesen wäre, zu schweigen.

Siehst du den Unterschied?

Das erste ist, was du hast. Das zweite ist, was du bist.

Das Impostor-Syndrom lebt in der Lücke, in der du glaubst, das erste definere das zweite.

Schließe diese Lücke.

Schritt 2: Bau dein eigenes Beweismittel-Archiv

Dein Gefühl, ein Betrüger zu sein, ist irrational.

Also bekämpfe es nicht mit Affirmationen, sondern mit kalten, harten Fakten. Werd zu deinem eigenen forensischen Ermittler.

Das Impostor-Syndrom ist ein brillanter Lügner. Es löscht systematisch alle Beweise für deine Kompetenz und lässt nur die Zweifel übrig. Deine Aufgabe ist es, diese Beweise zu sichern, bevor sie verschwinden.

Die Anleitung: Erstelle einen privaten Ordner auf deinem Computer. Nenne ihn „Fakten“ oder „Evidenz“ – was auch immer für dich funktioniert. Ab heute sammelst du dort alles, was deine Kompetenz objektiv belegt:

  • Screenshots von positivem Feedback: Diese eine Slack-Nachricht von der Kollegin, die sich für deine Hilfe bedankt hat. Die E-Mail vom Kunden, der von deiner Analyse begeistert war.

  • Konkrete Projektergebnisse: Nicht nur „Projekt X abgeschlossen“. Sondern: „In Projekt X habe ich die Systemarchitektur entworfen, die die Ladezeit um 30 % verbessert hat. Hier ist der Link zum Dashboard.“

  • Probleme, die du gelöst hast: Dokumentiere eine Situation, die festgefahren war, und beschreibe in 3 Sätzen, was dein Beitrag war, um sie zu lösen.

Dieser Ordner ist kein Ort für Eitelkeit. Er ist dein rationales Bollwerk gegen den inneren Kritiker. Wenn die Zweifel das nächste Mal laut werden, öffne ihn und lies die Fakten. Nicht die Gefühle. Die Fakten.

Es geht nicht darum, dich selbst zu überzeugen, dass du perfekt und unfehlbar bist. Es geht darum, eine realistischere, fairere und faktenbasierte Perspektive auf deine eigene Leistung zu gewinnen.

Denn du hast den Thron verdient.

Es ist an der Zeit, dass du es dir nicht nur von anderen sagen lässt, sondern es endlich selbst glaubst.

Zurück
Zurück

Marc Aurel im Maschinenraum: Was leise Leader vom größten Stoiker für ihre Resilienz lernen können.

Weiter
Weiter

Der "Murmeltier-Tag" in deinem Team – und wie du ihn als leise Führungskraft endlich beendest